B1 Bildungsbrücken bauen in Kiel: Übergänge gestalten und ausbauen Teil 2

Aus Beschlüsse der SPD Kiel
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Gremium: Kreisparteitag
Sitzung: Ordentlicher Kreisparteitag 02/2015
Bezeichnung: B1
Antragsteller: SPD Kreisvorstand SPD Kiel und AfB Kiel


Beschluss:


angenommen in geänderter Fassung

Forts. von Teil 1

Hohe Bedeutung der außerschulischen Jugendarbeit anerkennen, größere zeitliche Freiräume schaffen, ehrenamtliche Arbeit würdigen:

Die Möglichkeit junger Menschen etwas zu lernen, was für die spätere berufliche Entwicklung Bedeutung hat, ist nicht nur auf die Schule begrenzt. Gerade die praktischen und sozialen Erfahrungen außerhalb der Schule in Vereinen oder Initiativen der Jugendarbeit (ob bei der Jugendfeuerwehr, der DLRG, im Sport, der kirchlichen oder politischen Jugendarbeit oder z.B. bei „Schüler helfen Leben“ oder bei der „Jungen Bühne“ zur Kieler Woche und und und) tragen dazu bei, die Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu stärken und lebensnahe Erfahrungen zu vermitteln, die für die spätere Berufswahl und den Erfolg in Ausbildung oder Studium von hoher Bedeutung ist. Die Kieler SPD wünscht für die Schüler_innen verlässliche Freizeit für die außerschulische Jugendbildung, die frei und selbstbestimmt genutzt werden kann, z.B. indem Unterrichtsplanung oder Lehrplaninhalte allen Schüler_innen ermöglichen, ihre schulischen Aufgaben bis spätestens 16 Uhr erledigt zu haben. Hierzu gehört auch das Ziel einer maximalen 35-Stunden-Woche für Schüler_innen inklusive Hausaufgaben und Schulweg oder auch die Freistellung von Juleica-Inhaber_innen von Schule, zur Durchführung von Jugendverbandsmaßnahmen. Die Kieler SPD fordert insbesondere ihre politischen Vertreter_innen im Landtag und in der Landesregierung auf, sich für die Umsetzung dieser Möglichkeiten und Ziele einzusetzen.

Verstärkte Zusammenarbeit aller Akteure im Bereich der Beruflichen Bildung:

Ein wichtiger Baustein dieser „Brücke in einen Beruf“ ist die Kooperation im Kieler Arbeitsbündnis Verbesserung des Übergangs Schule-Beruf. Das Kieler Arbeitsbündnis, zu dem neben der Stadt und dem Jobcenter unter anderem die Agentur für Arbeit, die Kreishandwerkerschaft, die Industrie- und Handelskammer und der Unternehmensverband Nord gehören, leistet wertvolle Arbeit. Ziel des Bündnisses ist es, die Ausbildungsreife jedes und jeder Jugendlichen zu fördern. Dabei sollen die Jugendlichen individuell nach ihren Stärken und Talenten in ihrer Berufsplanung unterstützt werden. Außerdem soll bei den Übergängen in Ausbildung, Studium und Beschäftigung Wartezeiten vermieden werden. Die Informationen über Ausbildungsangebote sollen transparent gestaltet und Angebotsstrukturen verbessert werden. Ein weiteres Leitziel strebt eine passgenaue Abschlussperspektive für die Schulabgängerinnen und Schulabgänger an. Zum Beispiel sollen Praktika in Zusammenarbeit mit den Kammern und weiteren Netzwerkpartnern den Jugendlichen auf den Weg zur Berufsfindung helfen und erste Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern herstellen. Dennoch zeigen die Zahlen: Die Betriebe müssen sich noch mehr bewegen, um Auszubildende zu bekommen. Gut ausgebildete Fachkräfte nützen den Betrieben schließlich am meisten. Die Kieler SPD fordert alle handelnde Akteure in diesem Bereich auf, weiterhin alles dafür zu tun, die Jugendlichen auf ihrem Weg von der Schule zur Ausbildung, Studium und Beruf zu unterstützen.

Leuchtturmprojekt RBZ - Keine Abstriche bei der abschließenden Fertigstellung bzw. Sanierung des letzten der drei Regionalen Berufsbildungszentren:

Bildung braucht Raum: Der Neubau und die Sanierung der drei Regionalen Berufsbildungszentren sind ein landesweites Leuchtturmprojekt das seines gleichen sucht. Mit Investitionen in die Bildung sichern wir die Zukunftschancen unserer Kinder. Daher hat die SPD geführte Kooperation im Kieler Rathaus in den letzten Jahren diesem die höchste Priorität eingeräumt und konsequent auf Bildung gesetzt: Der zuletzt fertiggestellte abschließende Neubau am Westring 100 des RBZ-Projekts, ist ein Zeichen der erfolgreichen Politik der Kieler SPD. Abzüglich der Landesmittel stellt allein die Landeshauptstadt Kiel rund 85 Millionen Euro der Investitionskosten für Neubau und Sanierung der drei Regionalen Berufsbildungszentren zur Verfügung. Die Weiterentwicklung der klassischen Berufsschule zu Regionalen Berufsbildungszentren mit einer Vielfalt an unterschiedlichen Bildungsgängen findet landesweit Beachtung. Damit hat Kiel erstklassige Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler geschaffen, die z.B. auch durch die Preisverleihung an das RBZ Wirtschaft, das gemessen an Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulleben und Schule als lernende Institution zu den sechs besten Schulen Deutschlands gehört. Die Auszeichnung zeigt wieder einmal, dass es richtig und wichtig ist, unseren Berufsbildungszentren die beste Ausstattung zu geben. Ähnliches gilt auch für das RBZ Technik und das RBZ1, die im besonderen Maße beispielhaft dafür stehen, jungen Menschen, von denen viele einen Migrationshintergrund haben eine Perspektive zu geben – unabhängig von der Herkunft. Deshalb darf es auch keine Abstriche bei dem Neubau oder der Ersatzsanierung für das abgängige Schulgebäude 18c des Regionalen Berufsbildungszentrums Soziales, Ernährung und Bau (RBZ 1) geben. Dass ein Kieler Berufsschulgebäude aus den sechziger Jahren, das eigentlich im letzten Jahr saniert werden sollte, einsturzgefährdet ist und deshalb abgerissen werden muss, ist ein „baupolitischer Supergau“, der ohne finanzielle Mehraufwendungen nicht zu bewältigen ist. Die ursprünglich für die Sanierung und Neuausstattung vorgesehenen 18 Millionen Euro für das RBZ1 werden für einen Ersatz voraussichtlich nicht ausreichen, zumal die Gebäude des RBZ1 am Königsweg/Rondeel, die für die Fachschulausbildung zum/zur Erzieherin/Erzieher genutzt werden, dringend saniert werden müssen. Die Kieler SPD erwartet vom Oberbürgermeister und den Mitgliedern der Ratsversammlung, das entsprechende Haushaltsmittel für die Sanierung bzw. einen Ersatzbau in den Haushalt 2016/2017 eingestellt werden.

Stellen für „Übergangslotsen“ an den drei Regionalen Berufsbildungszentren einrichten:

In Zusammenarbeit mit dem Bildungsbüro sollen auf Wunsch der Kieler SPD sozialräumlich oder fachlich orientiert an den drei Regionalen Berufsbildungszentren Stellen für sogenannte „Übergangs- oder Ausbildungslotsen“ geschaffen werden. Sie sollen ein niederschwelliges, freiwilliges und kostenloses Angebot für Kieler Schülerinnen und Schüler anbieten und so die bisherige Arbeit des personell stark reduzierten Bildungsbüros fortführen bzw. ergänzen und die so möglich entstehende Lücke in der Berufseinstiegs-Begleitung füllen. Die bisherigen guten Erfahrungen in diesem Bereich in Kiel und dem Kreis Dithmarschen zeigen, dass sich entsprechende Investitionen auszahlen. Die Sozialpädagogen ersetzen nicht die Berufsberatung der Agentur für Arbeit, sondern ergänzen sie, leisten Hilfestellung auf dem Weg in die berufliche Zukunft von Jugendlichen, die alleine nicht weiterkommen. Hierbei sollen auch die Eltern mit einbezogen werden, die meist bei der Berufsauswahl ihrer Kinder als Informationsquelle an erster Stelle stehen. Hier ist Unterstützung wichtig, weil sich längst nicht alle Mütter und Väter um die berufliche (Aus-)Bildung kümmern (können) oder auch die heutigen beruflichen Anforderungen und Möglichkeiten nicht kennen. Die „Übergangslotsen“ könnten aber auch beim Übergang von der Berufsschule in ein Studium unterstützen. Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat festgestellt, dass viele Schüler_innen aus nicht-akademischem Elternhaus die (Fach-)Hochschulreife über die beruflichen Schulen erreichen und beim Übergang in Universität oder Fachhochschule Beratungsbedarf haben. In Deutschland ist die Akademisierungsrate z.B. im Vergleich mit dem ebenfalls wirtschaftlich sehr erfolgreichen Polen von 2000 bis 2013 bedeutend geringer gestiegen (Deutschland: von 25 % auf 27 % (+ 2 %); Polen: von 15 % auf über 40 % (etwa + 25 %) - siehe aktuelle OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2014". Deshalb brauchen wir an unseren „Leuchtturmprojekten“, den Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ) „Lotsen“ zur Unterstützung, die die jungen Menschen zum Start ihres Berufslebens sicher dorthin über die Brücke geleiten. Internat für Berufsschüler sanieren und den notwendigen Ersatzbau errichten:

Im Rahmen der „Dualen Ausbildung“ ist es notwendig, dass die Landeshauptstadt Kiel als Berufsschulstandort mit landesweiter Bedeutung, für die größtenteils minderjährigen Berufsschüler, pädagogisch betreute Übernachtungsplätze in Internaten anbietet. Bislang werden die Auszubildenden, die während der Blockunterrichtswochen zum Berufsschulunterricht aus den verschiedensten Orten Schleswig-Holsteins anreisen, im Wesentlichen in zwei sanierungsbedürftigen städtischen Internaten untergebracht, das eine am Königsweg beim RBZ1 und das andere am Stadtrand auf „Hof Hammer“. Das Internat auf Hof Hammer wird zu Gunsten einer zukünftigen Wohnbebauung aufgeben. Schon 2009 hat die Kieler Ratsversammlung beschlossen, dass das Internat am Königsweg im Bestand bleiben und entsprechend saniert werden soll und dass aus den Verkaufserlösen der Projektentwicklung im ehemaligen „Jugendhof Hammer“ ein Ersatzbau an einem neuen Standort erfolgen soll. Kiel benötigt für seine dualen Partner Unterbringungsplätze für auswärtige Auszubildende, die zum Berufsschulunterricht in unsere Stadt kommen. Die Sanierungs- und Ersatzbauplanung muss fortgeführt und umgesetzt werden und sollte auch die Möglichkeit beinhalten, dass die Internate während der Schulferien auch anderweitig, z.B. als Übernachtungsmöglichkeit für anreisende Jugendgruppen, genutzt werden können, um so den wirtschaftlichen Effizienzgrad der Internate zu erhöhen.


Praktikumsmöglichkeiten der Schulen ausweiten:

Die Möglichkeit praktische Erfahrungen in einem Betrieb zu sammeln zahlen sich mehrfach aus. Die Schülerin bzw. der Schüler hat die Möglichkeit, einen besseren Überblick über den Beruf zu erhalten, für den sie bzw. er sich interessiert. Außerdem senkt diese intensivere praktische Befassung mit der betrieblichen Praxis des Wunschberufes das Ausbildungsabbruchrisiko bei einer späteren Ausbildung in diesem Bereich. Ebenso ist dieses auch im Interesse des Betriebes. Erfolgreiche Partnerschaften zwischen Betrieben und Schulen zur beruflichen Vorbereitung, wie zum Beispiel mit dem Handels- und Industriepark (HIP) Wellsee, bestätigen dieses. Deshalb haben einige Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein in Absprache mit Schulamt und Schulträger diese Möglichkeit ausgeweitet, um der praktischen Berufsvorbereitung mehr Raum zu geben. Die sozialdemokratischen Bildungspolitiker_innen und die Landeshauptstadt Kiel als Schulträger, werden von der Kieler SPD aufgefordert, in Gesprächen mit dem Bildungsministerium und den Schulen, die Lehrpläne für Gemeinschaftsschulen entsprechen zu überarbeiten, damit den Schülerpraktika eine größere Bedeutung zukommt. Hierbei sind auch Mindestqualitätskriterien für Praktika zu berücksichtigen.

Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Bereich der industriellen Produktion schaffen:

Die Kieler SPD nimmt die Sorgen der Gewerkschaft IG Metall sehr ernst, die eine Strategie fordert, um dem Abbau von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in der Industrie entgegenzuwirken. Wir sind sicher, dass der neue Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent, Ulf Kämpfer, den richtigen Kurs verfolgt, um insbesondere bei der Entwicklung des MFG 5-Geländes, den richtigen Mix zu schaffen, der auch Ausbildungs- und Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe berücksichtigt. Die wirtschaftliche Förderung für die Entwicklung des MFG 5-Areals ist für uns von zentraler Bedeutung. Die Kieler SPD fordert, dass in den Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und der städteplanerischen Überarbeitung des Geländes, die gezielte Entwicklung eines Gewerbegebiets mit produzierendem Gewerbe einen zentralen Baustein bildet, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Kiel zu schaffen.

Ausbildungswerkstatt am Standort des Marinearsenals erhalten:

Die Ausbildungswerkstatt des Marinearsenals in Kiel-Ellerbek bot über Jahrzehnte einen wichtigen Beitrag für die duale Ausbildung junger Menschen in technischen, produktionswirtschaftlichen Berufsgruppen. Die rund 300 Auszubildenden des Marinearsenals konnten nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung stets eine Anstellung, meist bei mittelständischen Unternehmen in der Region, erhalten. Der Erhalt einer Ausbildungswerkstatt in diesem Bereich und an diesem Standort ist nicht nur im Interesse der benachbarten ADM Kiel GmbH sowie der ThyssenKrupp Marine Systems GmbH sondern auch für andere produzierende Betriebe im Kieler Raum. Die handelnden Akteure der Landeshauptstadt Kiel werden aufgefordert, die Gespräche zur geplanten Konversion dieses Geländes im Dialog mit der dort angesiedelten Bundeswehr zügig voran zu treiben - ohne dabei bestehende Arbeitsplätze zu gefährden - und in Kooperationen mit weiteren Partnern, hier einen nachhaltigen Erhalt der Ausbildungswerkstatt sicher zu stellen.


Hohe Priorität für die Ausbildung in Gesundheitsberufen:

Dem Gesundheitswesen droht ein massiver Fachkräftemangel. Allein in Schleswig-Holstein werden der Branche nach aktuellen Hochrechnungen im Jahr 2030 rund 14.000 Fachkräfte fehlen. In der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik standen im September 2014 bundesweit 57 Arbeitslose 100 offenen Plätzen gegenüber und in der Physiotherapie kamen 53 Arbeitslose auf 100 unbesetzte Stellen. Nach Auskunft des Instituts der deutschen Wirtschaft ist das Missverhältnis in der Fachkrankenpflege mit 38 Arbeitslosen zu 100 offenen Stellen noch gravierender. Hier gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, eine gute und qualifizierte, tariflich bezahlte Ausbildung anzubieten. Dies bietet u.a. das Bildungszentrum des Städtischen Krankenhauses Kiel - und das soll auch so bleiben. Die Kieler SPD fordert alle sozialdemokratischen Verantwortlichen in Ratsfraktion und SKK-Aufsichtsrat auf, dieses auch dauerhaft sicher zu stellen. Ein Outsourcing in eine Ausbildungs-GmbH zur Tarifflucht lehnen wir ab.

Berufliche Bildung und Inklusion:

„Das Ziel für alle Menschen in Kiel - ob mit oder ohne Behinderung - ist, dauerhaft und sozialversicherungspflichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt zu sein.“ (Aus dem Kieler „Leitbild und örtliche Teilhabeplanung, 2011) Die Verabschiedung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung im Jahr 2006 war ein großer Fortschritt. Denn die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die in ihr enthaltenen Rechte umzusetzen. In Deutschland gilt die Konvention seit 2009. Auch wenn in der deutschsprachigen Übersetzung im Vertragstext von „Integration“ die Rede ist, hat sich der Begriff der „Inklusion“ der englischen Fassung in der Praxis durchgesetzt. Er meint: Einbeziehung von Anfang an und „volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe“, wie es in Art 1, der Zweckbestimmung der Konvention zum Ausdruck kommt. Das hat Folgen, es bedeutet die Anwendung auf sämtliche Lebensbereiche. In Artikel 27 anerkennen die Vertragsstaaten das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit. Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld müssen zugänglich sein. Menschen mit Behinderungen sollen wirksamen Zugang zu individuellen, allgemeinen fachlichen und beruflichen Beratungsprogrammen, Stellenvermittlung sowie Berufsausbildung und Weiterbildung erhalten. Nach den aktuellen Arbeitsmarktdaten der Agentur für Arbeit Kiel sind ca. 500 Schwerbehinderte in Kiel arbeitssuchend. Das entspricht etwa 6,5 % der Gesamtarbeitslosigkeit in Kiel. Die Zahlen sind leicht rückläufig. Über die Entwicklung von Schulabgängern besagen diese Angaben nichts. In den Werkstätten für Behinderte (WfB) sind in Kiel ca. 900 Menschen beschäftigt. Etwa 90 % der Schulabgänger_innen mit einer gravierenden körperlichen oder geistigen Behinderung werden von einer WfB aufgenommen. Aufgrund einer Initiative der SPD wurde die Zusammenarbeit zwischen Stadt, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Arbeitgebern und anderen institutionalisiert, um behinderten Schulabgänger_innen bessere Chancen für die Aufnahme einer Ausbildung zu geben. Für Unternehmen sollen passgenaue Lösungen geschaffen und kreative Initiativen auf den Weg gebracht werden. Hierzu gehört auch das Projekt des Landes „Übergang Schule-Beruf“, in dem Praktika für behinderte Schülerinnen und Schüler gefördert werden. Die Kieler SPD will die Forderungen aus der UN-Konvention konsequent umgesetzt wissen. Sämtliche Hindernisse, die - abgesehen von den Leistungsnachweisen – der gewünschten Berufsausbildung entgegenstehen, müssen beseitigt werden. Die baulichen, technischen und sonstigen Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung in Schule und Beruf müssen geschaffen werden. Daneben sind die aus informellen Lernprozessen resultierenden Kompetenzen anzuerkennen und durch geeignete Verfahren (z.B. ProfilPASS – Deutsches Institut für Erwachsenenbildung) zu ermitteln. Bezogen auf die europäische Bildungspolitik ist die Bedeutung von Kompetenzen, die das Ergebnis informeller Lernprozesse sind, gewachsen.

Rechtsanspruch auf barrierefreie Berufsvorbereitung:

Jeder Mensch, gleich ob behindert oder nicht, muss einen bundeseinheitlichen individuellen Rechtsanspruch auf Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, etwa durch schulbegleitende Praktika, die Berufsberatung und im Falle von Behinderungen in Ausbildung und Beruf auf die Unterstützung und Begleitung haben. Das Gleiche gilt für den ausbildungsbegleitenden Unterricht. Darüber hinaus muss ein individueller Rechtsanspruch auf die Herstellung der Barrierefreiheit von Ausbildungsbetrieben, Hochschulen und beruflichen Schulen geschaffen werden. Die öffentlichen Ressourcen sind hierfür, z.B. aus der Ausgleichsabgabe, bereitzustellen. Ausbildungsbetriebe sollen hierfür öffentliche Zuschüsse bekommen dürfen. In diesem Zusammenhang ist das komplexe Fördersystem der Arbeitsverwaltung und ergänzende Maßnahmen der Länder von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und Ausbildungen über Umschulungen, Weiterbildungen und Lohnkostenzuschüssen an Arbeitgeber bis zur Einmündung in eine Werkstatt für behinderte Menschen auf eine transparente gesetzliche Grundlage zu stellen. Im Regelsystem des Übergangs von Schule zum Beruf sind inklusive Strukturen, möglichst aus einer Hand, zu schaffen. Die Beratung, das Profiling, die Begleitung und die Assistenz sollen immer individuell nach Bedarf und in Abstimmung mit der Schule und der Ausbildung erfolgen. Die Akteure sind im Hinblick auf die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Förderkulissen zu qualifizieren. Das Instrument der Unterstützten Beschäftigung ist anzuwenden und auszubauen. Die Maßnahmen des Bundes und der SPD-geführten Landesregierung aus der „Initiative Inklusion“ sind auf ihre Wirksamkeit zu evaluieren und nach Auslaufen der Bundesförderung vom Land zu verstetigen. Das betrifft insbesondere die Handlungsfelder „Berufsorientierung“ und „Neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte junge Menschen in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes“. Für die Herstellung von baulicher Barrierefreiheit und die Anschaffung von Vorrichtungen, die z.B. die Bedienung von Maschinen oder Computern ermöglichen, sollen Arbeitgeber Zuschüsse erhalten. Darüber hinaus sind die Dienststellen des Landes ebenfalls alle barrierefrei umzubauen – sofern noch nicht erfolgt.

Menschen in Werkstätten für Behinderte fördern:

Jugendliche, die von einer Werkstatt für Behinderte (WfB) aufgenommen worden sind, sollen stets die Möglichkeit haben, nach individueller Beratung und mit Assistenz, eine Berufsausbildung zu beginnen oder eine Arbeit auf dem 1. Arbeitsmarkt aufzunehmen. Hierbei soll in Abstimmung mit den Gewerkschaften und den Kammern nach Wegen gesucht werden, auch Teilqualifizierungen (Module) anzuerkennen. Sollte sich im Einzelfall die Ausbildung bzw. die Arbeitsaufnahme als nicht erfolgreich erweisen, muss auch der Weg zurück in die Werkstatt möglich sein. Eine gute Möglichkeit der Erprobung ist die Einrichtung von Außenarbeitsplätzen der Werkstätten bei Unternehmen auf der Grundlage des Werkstattvertrages. Die Außenarbeitsplätze sind auszubauen.

Menschen mit einer Schwerstbehinderung die Arbeitswelt erfahrbar machen:

Menschen mit einer Schwerstbehinderung stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. In der Regel werden sie von einer Tagesstätte oder einer Tagesförderstätte aufgenommen. Das sind Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die nicht unternehmerisch tätig werden. Die Kieler SPD greift Diskussionen auf, die über Modellversuche erproben wollen, inwieweit die Arbeitswelt für Schwerstbehinderte – etwa über spezielle Praktika - trotzdem erfahrbar gemacht werden kann.

Förderung von Migrantinnen und Migranten durch staatliche Einrichtungen und Maßnahmen für gerechten und qualifizierten Zugang zu beruflicher Bildung und Weiterbildung:

In Schleswig-Holstein leben über 352.000 Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Sie sind unter anderem als Arbeitskräfte, Flüchtlinge oder im Rahmen der Familienzusammenführung nach Schleswig-Holstein gekommen. Die Integration der Zuwanderer ist ein fortdauernder Prozess und betrifft alle gesellschaftlichen Lebensbereiche. In diesem Integrationsprozess spielen insbesondere Bildung, Ausbildung und Weiterbildung eine zentrale Rolle. Der Bildungserfolg bzw. die Qualifikation beeinflusst die Integration positiv. Ein guter Schulabschluss, ein späteres Studium, eine passende Ausbildung und berufliche Weiterbildung, ist auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und dem drohenden Fachkräftemangel für unser Land, auch von wirtschaftlicher Bedeutung. Eine nachholende Integration verursacht große Folgekosten. Alle Maßnahmen, die dann initiiert werden, sind ungleich teurer und komplizierter. Um junge Menschen mit Migrationshintergrund besser auszubilden bzw. qualifizieren sind staatliche Maßnahmen dringend erforderlich. Auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt werden junge Migrantinnen und Migranten immer noch strukturell benachteiligt. Ein ausländisch klingender Name ist oft ein Vermittlungshemmnis. Daher fordern wir verstärkt die Einrichtung von öffentlichen Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen. Diese öffentlich geförderten Einrichtungen, an die sich Ausbildungsstätten und Menschen mit Migrationshintergrund für ihre berufliche Aus- und Weiterbildung wenden, könnten zu dem dann auch als eine zuverlässige Referenz entgegen der aktuell bestehenden Einstellungshemmnisse, gegenüber Bewerbern mit ausländischen Namen, dienen. Damit wäre der Zugang zum Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt durch eine intensive und fachkundige Beratung/Begleitung gewährleistet.

Verbesserte Anerkennung Ausländischer Bildungsabschlüsse:

Die Richtlinien für die Anerkennung bereits bestehender ausländischer Qualifikationen/Berufe sollten dringend optimiert werden. Viele junge Migrantinnen und Migranten können mit den bereits bestehenden schulischen und beruflichen Abschlüssen, aufgrund fehlender und unzureichender Anerkennung, nicht ihrem Bildungsstand entsprechend eingegliedert werden. Damit werden Sie schon beim ersten Schritt in den Integrationsprozess vor Hürden gestellt. Viele von Ihnen sind dann gezwungen, erneut die bereits bestehende schulische Bildung zu wiederholen oder gar einen neuen, nicht unbedingt gewünschten, Beruf zu erlernen. Vor allem sollte bei beruflicher Teilanerkennung eine qualifizierte Anschlussmaßnahme, die zu einer vollen Anerkennung führen kann, gewährleistet werden. Wir alle kennen Ingenieure, Juristen und Ärzte, die nun als Hausmeister oder Taxifahrer ihren beruflichen Werdegang fortsetzen müssen. Diese berufliche und bildungspolitische Traumatisierung wirkt sich auch meist auf die nächste Generation aus.

Den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in Verwaltung und Eigenbetrieb erhöhen:

In der öffentlichen Verwaltung sind zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Oft handelt es sich bei diesen zu besetzenden Positionen auch um Entscheidungsträger für migrationspolitische Fragen. Das defizitäre Verständnis für kulturelle Hintergründe und die damit verbundenen fehlenden Erfahrungen, würden dann durch die entsprechende Besetzung mit Menschen mit Migrationshintergrund letztlich behoben. Die Kieler SPD fordert von der Landeshauptstadt Kiel als Ausbildungsträger und Arbeitgeber, Stellen in der öffentlichen Verwaltung sowie in den städtischen Eigenbetrieben, vor allem auch in den Führungspositionen, vorbildhaft mit Menschen mit Migrationshintergrund zu besetzen.

Projektmittel nutzen und mehr finanzielle Verantwortung von Land und Bund einfordern:

Um die in diesem Antrag genannten Forderungen und Vorhaben umsetzen zu können, bedarf es ausreichender finanzieller Mittel. Städte, Gemeinden, Kreise und Kreisfreie Städte sind finanziell am Ende der „Steuernahrungskette“, das gilt auch für die Landeshauptstadt Kiel. Deshalb fordert die Kieler SPD den Oberbürgermeiser auf, zur Umsetzung der hier geforderten Maßnahmen und somit zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in Ausbildung/Beruf, auch sämtliche Möglichkeiten der Projektfinanzierung, aus Bundes- oder Europa-Mitteln wie z.B. des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu nutzen. Ein daraus finanziertes Projekt ist als Beispiel das Handlungskonzept PLuS (Praxis, Lebensplanung und Schule) für das im vergangenen Jahr die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Schule und Berufsbildung und der Bundesagentur für Arbeit unterzeichnet wurde und das auch in Kiel erfolgreich umgesetzt werden soll. Bei diesem Konzept geht es u.a. darum, die für die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Erwerbstätigkeit notwendige Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Schüler_innen zu fördern und zugleich eine Verbesserung des direkten Eintritts Jugendlicher von der Schule in die Ausbildung zu erzielen. Ein weiteres hoffnungsvolles ESF Projekt ist das Bundesprogramm „Berufseinstiegsbegleitung“ an dem fünf Kieler Schulen partizipieren. Darüber hinaus fordert die Kieler SPD die sozialdemokratischen politischen Amts- oder Mandatsträger auf, eine höhere finanzielle Verantwortung des Landes und des Bundes beim Thema Berufliche Übergänge einzufordern. Die Kommunen können die Finanzierung in diesem Bereich nicht alleine stemmen.